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Fusion von Awin und Affilinet – Chancen und Risiken

Die Bombe wurde am 02.08.2017 gezündet. Die beiden größten Netzwerke in Deutschland, Affilinet und Awin (ehemals Zanox) wollen fusionieren. Ich kann mir gut vorstellen, dass einige Mitarbeiter in beiden Netzwerken die Luft scharf eingezogen haben, als die Information im Teammeeting veröffentlicht wurde. Auch im den öffentlichen Kanälen ging die Nachricht wir ein Lauffeuer rum und dementsprechende Reaktionen, positiv wie negativ, waren zu erwarten.

Da kämpft man 20 Jahre lang den Klassenkampf und von heute auf morgen gibt es keinen „Feind“ mehr, man verbündet sich sogar mit ihm.

Obwohl wir hier in Deutschland eine sehr eingeschränkte Sich haben, logischerweise, da die meisten von euch in der DACH Region Affiliate betreiben, muss das ganze eher global gesehen werden.

Affilinet hat in DACH definitiv die Nase vorn. Awin muss hier eindeutig zurückstecken. Allerdings, wenn es um den Rest der Welt geht, liegt Awin vorne. Die Aufteilung der Anteile, 80% beim Springer Verlag und 20% bei United Internet spiegelt auch irgendwie die territoriale Stärke der beiden Netzwerke wieder.

Aber was heisst das nun eigentlich für die ganzen Player der Affiliate Welt? Wie wirkt sich diese Mega-Fusion der Netzwerke auf unser Leben, auf unser Handeln und vor allem auf das Affiliate Business in DACH generell aus?

Auswirkungen auf die Partnerprogramme

Exklusivvereinbarungen mit den Netzwerken werden aufgelöst, beziehungsweise umgewandelt. Sicherlich werden einige Programme diesen Zusammenschluss, und die damit einhergehende Änderung der AGB’s nutzen, um die geschlossenen Verträge vorzeitig zu kündigen. Ich denke aber, dass die meisten Partnerprogramme die Fusion eher als Chance sehen, ihre Reichweite und die damit generierten Umsätze zu vergrößern.

Wie sich die Preisstruktur ändern wird, bezüglich Setupfee, die bei Awin schon fast obligatorische monatliche Handlingfee und der Netzwerkfee ist noch abzuwarten. Natürlich hat das neu gegründete Mega-Netzwerk auf Grund seiner einmaligen Stellung nun die Möglichkeit, diese auch monetär auszunutzen, wir wollen aber hoffen, dass Sie hier nicht auf Kosten der Partnerprogramme handeln werden.

Soweit nur der gemeinsame Börsengang im Vordergrund steht, werden einige Programme die „Verlierer“ sein.  Zu klein für eine performancebasierte Abrechnung. Zu unwichtig, da kein Umsatzbringer. Zu viel Aufwand für das Netzwerk.

Auswirkungen auf die Publisher

Bekannterweise arbeiten alle großen Publisher bereits mit den meisten Netzwerken zusammen. Es gibt kaum Exklusivpublisher, die auf Grund welcher Optionen auch immer, sich mit einem Netzwerk „zufrieden“ geben. Der Berliner Retargeter Advanced Store, die mit Ad4mat ein eigenes „Partnerprogramm“ bei Awin unterhält, und dadurch bisher sehr Single-Netzwerk-lastig unterwegs war, gehört eher zu den Ausnahmen. Durch den Zusammenschluss wird für die meisten großen Publisher eine Erleichterung sein, nur noch mit einem gemeinsamen System zu arbeiten. Einheitliche API’s einheitliche Ansprechpartner und ein größeres und einheitliches Portfolio wird die Performance sicherlich steigern. Allerdings entgeht einigen Publishern, die bisher bei einer Exklusivbewerbung von den jeweiligen Netzwerken Sondervergütungen (in welcher Art auch immer) erhalten haben, diese Zusatzeinnahmen. Ein gegenseitiges Ausspielen der beiden Netzwerke ist dann nicht mehr nötig, und auch das Netzwerk ist jetzt nicht mehr drauf angewiesen, Kickbacks und sonstige Vereinbarungen einzugehen, um den Publisher zu sich zu ziehen.

Durch die Fusion entstehen nun auch neue technische Möglichkeiten, die dazu führen werden, dass Publisher, die bisher auf Grund ihrer begrenzten Möglichkeiten nur wenig vom Affiliate-Kuchen abbekommen haben, nun größere Freiheiten und Chancen für die Bewerbung der Programme bekommen und somit höhere Umsätze erzielen können.

Interessant werden hier allerdings die neuen AGB’s für Publisher sein. Letztes Jahr hat Awin hier einen falschen Vorstoß gewagt um Publisher an sich zu binden. Ich hoffe sehr, dass solche Formulierungen beim neuen Netzwerk nicht mehr vorkommen werden.

Auswirkungen auf die Technik

Hier sehe ich die größten Chancen auf einen Push, aber auch einige Probleme. Eine gemeinsame Technik, keine Blockaden durch verschiedene Systeme, keine Verzögerungen und Probleme durch betriebswirtschaftliche Grenzen und Konkurrenzdenken.

Allerdings hat Awin bisher auch die Umsetzung der Technik nach dem Zusammenschluss von Zanox und Awin nicht vollständig hinbekommen. Jetzt kommt eine neue, zusätzliche Technologie hinzu. Und das wirft wiederum die Frage auf, wessen Systen wird überleben? Bekanntermaßen ist das Backend bei Affilinet viel intuitiver und einfacher zu handeln als von Awin. Aber wird der Mehrteilseigner zulassen, dass ein anderes System als seins den Vorrang bekommt? Auch trackingtechnisch haben beide Netzwerke in den letzten Jahren immer wieder Probleme gehabt, die noch nicht 100% ausgemerzt sind.

Stichwort Costumer Journey Tracking auch für kleinere Partnerprogramme. Attributionsmodelle sind schon länger ein Thema. Allerdings scheiterte es direkt bei den meisten an der Grenze des Netzwerkes. Denn hier muss, soweit mehrere Netzwerke im Spiel sind, die Daten aller beteiligten mit in die Berechnung genommen werden. Dass ein Netzwerk ungern sein Traffic mit anderen Netzwerken teilt, ist nun mal wirklich kein Geheimnis. Durch den Wegfall dieser Grenze ist es nun auch für Partnerprogramme, die kein großes Budget für eigene Technik / eigene Entwicklungsabteilung haben möglich, den Publishern ein faires Provisionsmodell auf Grund der Costumer Journey anzubieten. Und schon sind wir wieder bei den Chancen für Publisher. Denn haben bisher die Gutscheinseiten dieser Welt die Nase vorn gehabt, gehen nun die (von den Programmen ach so gewollten) Contentseiten nicht mehr leer aus, sondern können mitverdienen.

Durch den Zusammenschluss ergeben sich durch den Austausch wohl „ungeahnte“ Möglichkeiten um auch neue Publishermodelle, Tracking- aber auch Kontrollmöglichkeiten zu entwickeln.

Der technische Part ist bei dieser Fusion wohl der Teil des Ganzen, der den größten Push bekommen wird.

Auswirkungen auf die anderen Netzwerke

Hmmm. Tatsächlich stellen sich mir hier die meisten Fragen. Wie gehen die anderen Netzwerke mit diesen Informationen um? Wie wollen sie darauf reagieren? Was müssen sie ändern um am Markt noch eine Relevanz zu haben? Welche Dienstleistungen müssen sie zukünftig anbieten? Welchen Mehrwert können sie bieten, die ein zusammengeschlossenes Mega-Netzwerk ob seiner Größe und der Konzernzugehörigkeit nicht bieten kann? Schnelligkeit, Abwicklung, kürzere Bearbeitungswege, besseren Service? Welche Möglichkeiten haben sie überhaupt? Geht ein Netzwerk wie Tradedoubler nun eigene Wege und verstärkt seine Aktivitäten im Bereich Technologiedienstleistung? Zieht sich ein CJ aus dem Deutschen Raum zurück um sein Kernmarkt in den USA stärker zu positionieren? Spielt ein Belboon oder ein Adcell mit dem Gedanken, mit in die United-Springer-Familie aufgenommen zu werden? Besteht für ein Nischennetzwerk wie TelecommuniactionAD überhaupt Gefahr, Kunden und damit Umsatz zu verlieren?

Können sie sogar von dieser Entwicklung profitieren, weil es Programme gibt, die absichtlich nicht bei einem Konzern unter Vertrag wollen? Oder weil diese Programme die neue Kostenstruktur von Awin nicht akzeptieren und zahlen wollen/können? Markus Kellermann hat letztes Jahr in seinem Blog geschrieben: gerade mal 3% aller Onlineshops betreiben Affiliate Marketing.  Werden die anderen Netzwerke sich noch stärker auf Nischen spezialisieren? Es wird hier abzuwarten sein, welche Änderungen Awin von seiner Seite im Affiliate durchdrücken möchte. Davor lässt sich schwer als Aussenseiter prognostizieren, wie der zukünftige Werdegang der anderen Netzwerke aussieht. Auf jeden Fall werden wir in den nächsten 12 Monaten gespannt auf die Veränderungen schauen. Es wird ein Ruck durch die deutsche Affiliate-Welt gehen.

Auswirkungen auf die Agenturen

Das ist für mich, aus wohlbekannten Gründen, das Thema schlechthin. Affiliate Agenturen arbeiten seit jeher mit den diversen Netzwerken zusammen. Dabei hat jede Agentur sein „Heimnetzwerk“, welches sich aus jahrelanger Zusammenarbeit als das meistgenutzte Netzwerk herausgestellt hat. Die Spielregeln, die Möglichkeiten und die Grenzen eines jeden Netzwerkes waren bekannt. Was passiert aber nun? Wie müssen sich Agenturen verändern? Was passiert mit Rahmenvereinbarungen, die zum Teil seit Jahren zwischen Agenturen und Netzwerken bestehen? Was wird mit den Exklusivvereinbarungen?

An Awin wird kein Weg mehr vorbeigehen, aber was passiert mit der Zusammenarbeit mit den anderen Netzwerken? Wird das nachlassen oder gerade im Gegenteil sogar verstärkt werden?

Neue Umsatzmöglichkeiten durch Zusatzvereinbarungen mit den „kleineren“ Netzwerken?

Einerseits sehen die Agenturen mir großem Argwohn dieser Fusion entgegen. Bekanntermaßen hat Awin bereits in der Vergangenheit durch den Zukauf einer Performanceagentur erste Schritte, in Richtung Agenturdienstleistung selbst anzubieten, gemacht. Auch das in Köln eröffnete Awin-Büro handelte eine Handvoll Kunden bereits in Eigenregime. Grenzen waren nur durch das eigene Netzwerk gesetzt. Dies fällt nun weg und es bleibt eine große Frage, ob das neue Awin diesen Weg weiter bestreiten und die Dienstleistung einer Agentur weiter Inhouse ausbauen und großflächig anbieten möchte.

Anderseits entstehen auf für Agenturen neue Möglichkeiten und Erleichterungen der eigenen technischen Lösungen. Die zwei größten Netzwerke in DACH hatten verschiedene Systeme zur Tracking, zum Reporten und auch die API’s waren verschieden. Doppelte Arbeit, doppelter Zeitaufwand. Dies fällt nun weg. Auch die verschiedenen Ansprechpartner der beiden Netzwerke werden nun synchronisiert. Rein vom Handling wird (hoffentlich) alles einfacher und besser… nur stellt sich die Frage, inwiefern das die Arbeit der Agenturen erleichtern wird.

Im Ganzen gesehen stehen viele Agenturmitarbeiter etwas Ratlos vor dieser Fusion. Mit wem redet man in Zukunft? Mit wem macht man Deals aus, wer ist für was zuständig? Sind die Kontakte zu den Entscheidungsträgern, die man sich mühsam und langwierig aufgebaut und erarbeitet hat, überhaupt noch was „Wert“? Gibt es dann noch den kleinen Dienstweg über den man vieles viel einfacher und Effektiver erreichen konnte? Was wird aus dem A-Team bei Affilinet, die sich mit sehr viel Elan und Eigeninitiative um Agenturen gekümmert hat?

Auswirkungen auf technische Dienstleister (private Network)

Das ist nun ein wirklich offenes Thema. Ich kann mir einerseits vorstellen, dass Anbieter von privater Netzwerktechnologie gerade im großen Teich der Mittelständer Fuß fassen können. Allerdings müssen sie hier monetär und auch leistungsorientierter Denken. Wenn sie jetzt auf das richtige Pferd setzen, können sie Neukunden generieren.

Die Gefahr allerdings besteht auch, dass nun Netzwerke einhergehen werden und anfangen eigene private-network-Lösungen anzubieten. Einen großen Vorteil haben sie… sie haben bereits Publisher.

Die Angebotspalette der übrigen Netzwerke muss sich ändern und wird sich ändern. Stärkere Zusammenarbeit mit Agenturen, bessere und günstigere Leistungen, verstärkter Support, kürzere Entscheidungswege und neu geschaffene USP’s müssen her.

Fazit:

Es ist eine riesige Chance für das aktuelle Affiliate Marketing. Wir können uns weiterentwickeln, neue technologischen Möglichkeiten auf dem Weg bringen und Affiliate zu einem noch wichtigeren Kanal im Marketingmix der Advertiser werden lassen.

Allerdings sehe ich auch viele Gefahren, was Jobs, Leistungen, Technik, Monopolisierung und Zuständigkeiten angeht. Fakt ist, dass nach dem Zusammenschluss es nichts mehr so sein wird wie es war. Wer unterm Strich die Verlierer sein werden ist noch fraglich. Ich hoffe sehr, dass Awin sich seiner Verantwortung in der Affiliate Branche bewusst ist, und deshalb auch umsichtig mit der neugewonnenen Macht umgehen wird.

3 Antworten to “Fusion von Awin und Affilinet – Chancen und Risiken”

  1. Armin sagt:

    Tibor du bist super!

    Interessant wird es, wie die Netzwerke auf die neuen EU-Gesetze reagieren werden.

    Ich bin mir aber ziemlich sicher, dass es zu Lösungen kommt.

    Würde mich übrigens freuen mal wieder mehr auf deinem Blog zu lesen 😉

    LG Armin

  2. Michelle sagt:

    Hallo,
    Michelle hier. Ich beschäftige mich auch seit kurzem mit Affiliate Marketing und bin auf diesem Beitrag gestoßen. Ich wollte dich mal fragen, wieso du durch die Fusion erst jetzt die Chance siehst das Trackingsystem “neu” zu entwickeln?

  3. b.s. sagt:

    Warum siehst du durch die Fusion erst jetzt die Chance das Trackingsystem (Stichwort: Customer Journey) „neu“ zu entwickeln?

    Zanox/Awin und Affilinet hatten doch schon seit Jahren diese Möglichkeit? Warum soll sich erst jetzt was mit der Fusion ändern?

    Ich glaube nicht an eine Änderung und Weiterentwicklung des Trackingsystems. Zunächst wird bei dieser Fusion die Prozesse im Hintergrund an erster Stelle stehen. Erst wenn die Buchhaltung, Ansprechpartner usw. fest steht wird wohl die Technik weiterentwickelt.

    Diese Zeit könnten und sollten die „kleinen“ Netzwerke nutzen. Jetzt durch Innovation und Kundenservice zu glänzen und somit die Publisher an sich zu binden wäre ein kluger Schachzug.

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